Untertitel: Männer sind arme Schweine – Es gibt keine Hoffnung, aber wir dürfen sie nicht aufgeben
Verlag: Penguin
Themenbereich: Gesellschaft und Sozialwissenschaften – Psychologie
Genre: Sachbücher / Politik, Gesellschaft & Wirtschaft
Format: Softcover, 288 Seiten
Ersterscheinung: 13.08.2025
ISBN: 9783328107774
Klappentext:
Emotionen, Depressionen, gesellschaftliche Erwartungen: Kult-Comedian Schlecky Silberstein über die Fallstricke eines erschütterten Rollenbildes und die große Bürde, ein Mann zu sein
»Mein Name ist Schlecky Silberstein und ich leide an der sexuell übertragbaren Krankheit Mann. Wohnhaft im Prenzlauer Berg, versuche ich das richtige Leben im falschen zu führen, aber es ist hart: Die Identitätssuche des verzweifelt modernen Mannes gleicht der Quadratur des Kreises; wie auch immer ich mich zu meinem Geschlecht positioniere, ich mache es falsch. Mannsein ist ein Fluch, der uns als Hauptgewinn verkauft wird – so wie jede gekonnte Verarsche …«
Schlecky Silberstein seziert sein eigenes Geschlecht schonungslos und ohne Rücksicht auf Verluste. Denn was viele nicht ahnen: Männer sind noch viel schlimmer als ihr ohnehin schon ramponierter Ruf. Schlimm bedeutet dabei: dumm, kriminell, suchtanfällig, manipulativ und selbstzerstörerisch. Was immer der orthodoxe Feminismus Männern vorwirft, es ist nur die Spitze des Eisbergs. Und so absurd es klingt: Männer sind selbst die größten Leidtragenden des Patriarchats!
Ehrlich und ungeschönt berichtet der Comedian aus seinem Leben als Mann. Von dem unmöglichen Unterfangen, eigenen Ansprüchen und gesellschaftlichen Erwartungen gerecht zu werden. Von Selbstzweifeln, Depressionen und dem Ringen um seine Identität. Sein Fazit: Hilfsprogramme für Männer sind dringend notwendig …
Wer glaubt, hier ein Buch voller Witze zu lesen, irrt sich.
Schlecky Silberstein erzählt mit Humor, Selbsterkenntnis und vielen biologischen und evolutionär erklärbaren Tatsachen und Studienergebnissen unterlegt, warum Männer sind wie sie sind. Hier zieht er oft eigene Erinnerungen an seine Kindheit und Jugend als Beispiele heran, aber kann vieles auch wissenschaftlich untermauern.
Manche Formulierung hat mich zwar auch irritiert, manchmal musste ich aber auch schmunzeln. Nach der Lektüre dieses Buches, verstehe ich ein kleines bisschen besser, warum wir in einem Patriarchat leben. Der Autor schreibt nicht langweilig und verpackt wissenschaftliche Fakten kurzweilig und lesenswert. Oft sind seine Beobachtungen und Thesen treffend und legen einen Finger in zweifellos tiefe Wunden der Männlichkeit.
Der Satiriker und Autor hat viel recherchiert zu diesem Buch. Und als Vater zweier Söhne wünscht er sich, dass die Menschheit es schafft, sich von den gewalttätigen und diskriminierenden Seiten des Mannseins zu befreien, damit alle Menschen ein besseres Leben führen können.
Ich kann das Buch jederman(n) als Lektüre empfehlen. Ich finde das Buch lesenswert und horizonterweiternd.
Untertitel: Ein kleiner Guide für Naturbanausen und Küstenkinder
Autorin: Marie Parakenings
Verlag: Kulturverlag Kadmos
Format: gebunden, 160 Seiten, 13 x 21 cm
Erscheinung; November 2024
70 Abbildungen (ca. 70 Illustrationen der Autorin)
ISBN: 978-3-86599-587-2
Klappentext:
Nicht nur Millionen von Touris tummeln sich jedes Jahr an der Ostsee – auch unzählige Tierarten nennen den vielfältigen Lebensraum ihr Zuhause. Möwen, Quallen, Krabben und Muscheln prägen das typische Ostseebild, aber auch ganz unerwartete Bewohner finden sich im Wasser, an den Stränden und im Hinterland. Kennst du zum Beispiel schon den Sandschnurfüßer, den Knutt oder die Seestachelbeere? Von badenden Elchen über sprintende Schnecken, ausgebüxte Nandus und Rehe in Seenot bis hin zu galoppierenden Wildschweinen: Die Ostsee hält viele Überraschungen bereit!
»Marie Parakenings hat dieses Buch außergewöhnlich liebevoll konzipiert, illustriert und geschrieben. […] Prädikat: äußerst unterhaltsam und einfach schön.«
Bei meinem Bericht von der Leipziger Buchmesse habe ich ja schon von dem Buch Ostseetiere erzählt, erschienen im Kadmos-Verlag. Ein Sachbuch, das nicht langweilt, sondern unterhält und mit so einigen Fakten für überraschendes Wissen sorgt.
Jetzt möchte ich (endlich) ein wenig mehr davon berichten.
Auf etwa 150 Seiten lernt man eine Vielzahl an Lebewesen kennen, die an und in der Ostsee zu finden sind. Dabei ist es absteigend nach Zahlenfakten von 2 400 000 bis 0 sortiert. Die Tiere lassen sich auch über das Inhaltsverzeichnis finden, in dem sie nach Arten und mit kleinen Abbildungen sortiert sind. Am Ende des Buches findet man noch ein alphabetisches Register sowie einen kleinen Knigge, wie man sich an Ostseestränden verhalten sollte.
Ich finde die Aufmachung klasse. Das Buch ist handlich und lässt sich gut in der Strandtasche mitnehmen, um bei einem Tag an der See darin zu stöbern. Außerdem macht es neugierig darauf, me(e)hr über die Ostsee und das dortige Leben zu erfahren. Ganz nebenbei lernt man in diesem Buch spannende und überraschende Fakten. Oder wusstet Ihr, dass 60 Erdumrundungen etwa 2 400 000 Kilometer sind, und dass das die Entfernung ist, die eine Küstenseeschwalbe durchschnittlich in ihrem Leben zurück legt? Also etwa dreimal zum Mond und zurück.
Oder dass die schwarze Variante der Kreuzotter, Höllenotter genannt, auf Rügen lebt, und man bei einer Begegnung ganz beruhigt sein kann, da sie nicht giftig sind und eher nicht dazu neigen, zu beißen, da sie lieber vor den Menschen Reißaus nehmen?
In kurzen, prägnanten Texten werden die Tiere vorgestellt und es gibt immer Illustrationen dazu. Dabei ist das Sachbuch keineswegs trocken und langweilig, sondern ist kurzweilig geschrieben. Das Wissen wird den Lesenden meist auf humorvolle Weise näher gebracht.
Thematisch vielfältig und oft überraschend lerne ich so viele interessante Fakten kennen. Es geht dabei nicht nur um die allseits bekannten Küstenbewohner, wie Möwen und Robben. Man bekommt auch viele Infos über die kleinsten Lebewesen wie Brotkrumenschwämme, Küstensandlaufkäfer und Sandhüpfer. Ja, ich finde manche Namen auch ziemlich ulkig.
Am Ende jedes Textes gibt es auch immer einen kleinen Steckbrief zu dem jeweiligen Tier mit den wichtigsten Fakten.
Für wen eignet sich das Buch?
Das Buch ist eine faszinierende Lektüre für zwischendurch und generell für alle Altersklassen geeignet. Ich kann mir gut vorstellen, dass sich Familien bei ihrem nächsten Urlaub gemeinsam mit dem Buch beschäftigen und dann mit offenen Augen an der Küste entlang gehen, um die Lebewesen in ihren natürlichen Lebensräumen zu entdecken. Für Kinder- und Jugendgruppen, die eine Fahrt an die Ostsee planen, ist das auch eine tolle Vorbereitungslektüre, finde ich. Und als Geschenk eignen sich solche unterhaltsamen Bücher doch immer.
Mir gefällt das Buch wirklich sehr und ich werde mir sicherlich noch mehr Bücher der Reihe zulegen. Es werden bestimmt noch viel mehr Bücher erscheinen. Ich hoffe ja noch auf ein Buch über die Tierwelt Hannovers. Ich meine, wann geht man je wirklich mit offenen Augen durch die eigene Stadt und achtet dabei auf die Lebenswelten anderer Mitbewohner?
Bisher sind folgende Titel erschienen:
Berliner Tiere
Bremer Tiere
Hamburger Tiere
Kölner Tiere
Münchner Tiere
Welche Titel ich mir noch wünschen würde:
Harzer Tiere – Nicht alles Käse
Hannöversche Tiere – Keine lüttje Lage hier
Nordseetiere – niet alleen lütt un lütt
… beliebig fortsetzen
Da ich in absehbarer Zeit keine Reise an die Ostsee unternehme, habe ich ein paar Fotos mit Enten auf unserem hiesigen Kanal in Limmer gemacht.
400 Seelen – Die Geschichte des Afrikanischen Amerika 1619 – 2019
Herausgeber*innen: Ibram X. Kendi / Keisha N. Blain
Verlag: btb
Hardcover, 672 Seiten
Erschienen: 11.12.2024
ISBN: 978-3-442-75986-6
Essays von 80 Schwarzen Autor*innen
Gedichte von 10 Schwarzen Dichter*innen
Originaltitel: Four Hundred Souls
Originalverlag: One World Publishing
Übersetzer*innen: Aus dem Amerikanischen von Sylvia Bieker, Aminata Cissé Schleicher, Bernd Gockel, Dominique Haensell, Ruth Keen, Marion Kraft, Andrea Kunstmann, Melody Makeda Ledwon, Elke Link, Felix Mayer, Mirjam Nuenning, Anna von Rath, Jacob Thomas, Alexander Wagner, Eleonore Wiedenroth-Coulibaly, Henriette Zeltner-Shane
Klappentext:
Im Nummer-1-New-York-Times-Bestseller der Herausgeber Ibram X. Kendi und Keisha N. Blain erzählen 80 außergewöhnliche Stimmen die vierhundertjährige Geschichte des afrikanischen Amerikas von 1619 bis in die unmittelbare Gegenwart.
Die Geschichte beginnt 1619, ein Jahr vor der Ankunft der Mayflower, als die White Lion etwa 20 »negroes« an der Küste Virginias ausspuckt und damit die afrikanische Präsenz in den späteren Vereinigten Staaten einleitet. Sie führt uns quer durch den enormen Einfluss der Schwarzen auf die Geschicke der jungen Nation.
Ibram X. Kendi und Keisha N. Blain versammeln 80 Autorinnen und Autoren, die sich der Geschichte aus verschiedenen Blickwinkeln nähern: durch die Augen großer historischer Ikonen oder durch die unerzählten Geschichten einfacher Menschen, durch Orte, Gesetze und Gegenstände. Während sich Themen wie Widerstand und Kampf, Hoffnung und Neuerfindung wie ein roter Faden durch das Buch ziehen, entfaltet diese Sammlung eine verblüffende Bandbreite an Erfahrungen und Ideen, die es in der Community der Schwarzen in Amerika immer gegeben hat. So erzählt dieses Buch u.a. von Leid und Trauma, von Unterdrückung und Befreiung, vom Kampf um Selbstbestimmung und rechtliche Gleichstellung, von gewaltigen Pionier- und Heldentaten, von der Entwicklung von Swing, Rock’n’Roll, Soul, Funk und HipHop und der Entstehung der Black-Lives-Matter-Bewegung.
Vierhundert Jahre Afrikanisch-Amerikanische Geschichte: Eine Reise voll von unmenschlicher Gewalt, visionären Kämpfen und erstaunlichen Errungenschaften.
Das Buch ist mit seinen fast 700 Seiten ein wahres Schwergewicht. Ich finde es wichtig, etwas über die Geschichte zu lernen, die (bisher) nicht in der Schule behandelt wurde oder wird. Es ist wichtig, auch diese furchtbaren und tragischen Schicksale sichtbar zu machen und Schwarzen Menschen eine Stimme zu geben.
Darum finde ich dieses Buch wirklich gut.
Hierin kommen Menschen zu Wort, die viel zu oft übersehen, klein geredet oder mundtot gemacht wurden.
Obwohl so viele Autor*innen an diesem Buch mitgewirkt haben und jede Geschichte auf ihre Weise einzigartig ist und auch für sich stehen kann, erzählt das Buch chronologisch die Geschichte des Schwarzen Amerika, vielfach verflochten mit der heutigen Zeit und ihrer Entwicklung.
Es beginnt mit der Tatsache, dass die Mayflower, die heute mit dem Thanksgiving Fest überhöht und gefeiert wird, nicht das erste Schiff war, dass an der amerikanischen Küste anlegte. Und dass ihre Passagiere nicht die ersten Menschen waren, die das Land betraten.
Aber wer, der nicht der Schwarzen Community angehört, hat denn schon von der White Lion gehört?
Zitat:
„Allerdings war ein Jahr vor der Mayflower, im Jahr 1619, ein anderes Segelschiff an eben derselben Ostküste vor Anker gegangen. Sein Name war White Lion, und es sollte ebenfalls eines der bedeutendsten Schiffe in der Geschichte der USA werden. Jedoch gibt es kein Verzeichnis mit den Namen der Menschen an Bord und keine Nachfahrengesellschaft.“1
Manche der Texte erzählen das Schicksal einzelner Afrikaner*innen und ihrer Nachfahren, manche Texte wissen von bedeutsamen Ereignissen zu berichten und setzen diese in den Kontext des großen Ganzen.
Es werden die Auswirkungen der verschiedenen Gesetze beleuchtet, die den Rassismus gestärkt und die weiße Bevölkerung bevorzugt haben. Es wird über den Konflikt der christlichen Kirchen gesprochen, nach denen jeder Mensch frei ist, der die Taufe empfangen hat, was allerdings nicht für die Schwarzen Sklaven galt. Dabei wurden hanebüchene Begründungen erfunden und Gesetze verabschiedet, die die Vorherrschaft der weißen Bevölkerung und die Eigentumsrechte an Schwarzen Sklaven zementierten.
Beim Lesen schwankte ich zwischen Wut und Empörung, wie man mit anderen Menschen so unwürdig und gewalttätig umgehen kann, aber ich habe auch größten Respekt und Hochachtung vor dem Willen und dem Durchhaltevermögen der Afro-Amerikaner, sich ihren Platz in der Gesellschaft immer wieder neu zu erstreiten und dem Wunsch aktiv daran mitzuwirken.
In diesem Buch geht es nicht nur um Baumwolle und den Grund, warum diese vielen Menschen versklavt wurden. Es geht auch um die Ausbeutung der Menschen, auf deren Rücken ein ganzes Land wachsen konnte.
Zitat:
„In weniger als zwanzig Jahren sorgte die Sklavenwirtschaft für eine akademische Revolution, die die Anzahl der Colleges verdreifachte und die Bildungsgeografie der ganzen Nation veränderte.
Die Expansion des Hochschulwesens folgte den Bewegungen der Plantagensklaverei nach Süden und Westen.“2
Aber es geht nicht nur um Sklaverei und Ausbeutung. Es geht um Widerstand, Hoffnung, Gleichberechtigung, Wertschätzung, Selbstbestimmung und Verbundenheit. Die Schwarze Community begreift sich mittlerweile als zusammen gehörend, um so ihre Bedürfnisse und Wünsche für ein selbst bestimmtes und gleichberechtigtes Leben in Freiheit gemeinsam zu erfüllen.
„Angelos Bruder, Milton Herndon, starb im Spanischen Bürgerkrieg im Kampf gegen Francos Truppen. Er erklärte damals seinen Männern, warum er sich den Brigaden angeschlossen hatte: „Gestern Äthopien. Heute Spanien. Morgen vielleicht Amerika. Der Faschismus macht vor nichts Halt – wenn wir ihn nicht aufhalten.“ Seine Worte haben ihre Gültigkeit bis heute nicht verloren.“3
Ich kann dieses Buch wirklich sehr empfehlen. Man muss nicht jeden Aspekt der Afro-Amerikanischen Geschichte kennen, um in diesem Buch einen Mehrwert zur Geschichtsschreibung zu erkennen. Es ist hoffnungsvoll, kämpferisch, mutig und poetisch. Ja, auch die Gedichte verdienen Aufmerksamkeit. Sie sind in der deutschen Ausgabe im englischen Original und der deutschen Übersetzung abgedruckt.
Es wurde aus unterschiedlichen Perspektiven und mit den verschiedensten Stimmen geschrieben. Es ist es wert, gelesen zu werden.
Ergänzend:
Im Bild habe ich einige meiner Bücher von PoC-Autor*innen versammelt:
Titel: Wir sind die Roboter – Kraftwerk und die Erfindung der elektronischen Pop-Musik
Autor: Uwe Schütte
Ausgabe:Paperback, Klappenbroschur
384 Seiten
Erschienen am: 13.11.2024
ISBN:978-3-442-77474-6
Originalausgabe
Klappentext:
Zum 50. Jahrestag des bahnbrechenden Albums »Autobahn« – die unverzichtbare Werkbiografie der einflussreichsten deutschen Popband aller Zeiten
»Wir sind die Roboter.« Mit diesem gegen die Konventionen und Traditionen des Rock gerichteten Schlachtruf sind Kraftwerk ausgezogen, um von Düsseldorf aus die Welt zu erobern. Mit ihrem revolutionären Konzept einer elektronischen Popmusik waren die vier Mensch-Maschinen-Musiker vermutlich noch einflussreicher als die Beatles. Im Werk der Formation verschmolzen Klang und Technologie, Grafikdesign und Performance, Autobahn und Roboter, modernistische Bauhaus-Ästhetik und rheinische Industriekultur, um so der modernen Popmusik eine elektronische Richtung vorzugeben. Ihr avantgardistisches Konzept einer »industriellen Volksmusik« aus deutschen Landen schuf den tanzbaren Soundtrack zu unserem digitalen Zeitalter. In der Ära der Künstlichen Intelligenz sind die bis heute aktiv den Globus tourenden Kraftwerk daher so aktuell wie nie.
Als Kind der 80er sind mir natürlich einige Werke der Konzeptkünstler Kraftwerk bekannt. Ich habe mich jedoch nie eingehender mit ihnen beschäftigt. Das Rezensionsexemplar habe ich daher aus Neugier im Bloggerportal angefragt und mich über die Zusage gefreut.
Der Autor hat bereits verschiedene Texte über Kraftwerk verfasst und zum 50-jährigen Jubiläum des Albums Autobahn erneut die Band zum Thema genommen.
Das Buch ist in mehrere Abschnitte unterteilt, die auch die Frühwerke vor dem offiziellen Album Autobahn nicht unerwähnt lassen.
Dabei beschränkt sich Uwe Schütte nicht nur auf das Album Autobahn, sondern gibt einen umfassenden Überblick über das Gesamtkunstwerk der Mensch-Maschine Kraftwerk.
Er verbirgt dabei nicht seine Bewunderung für die Band, blickt aber auch kritisch auf einige Attitüden der Künstler.
Der Autor schreibt strukturiert und ausführlich über den Einfluss, den Kraftwerk auf verschiedene Musiker*innen und Genre hatten und haben und zeigt auf, dass viele heute bekannte Bands und Komponisten, ohne Kraftwerk wohlmöglich nicht so erfolgreich gewesen wären.
Besonders interessant fand ich die Vernetzungen der Düsseldorfer mit Künstlern in aller Welt und die gegenseitige Inspiration und Wertschätzung untereinander. Seien es die Entwicklungen der Detroiter Techno-Szene oder die verschiedensten europäischen Bands wie Laibach, die durch ihre Interpretationen der elektronischen Popmusik einen ganz eigenständigen Stil entwickelten.
Ich habe mit großem Interesse über die Hintergründe und das Konzept Kraftwerk gelesen.
Fazit:
Das Buch wird für Fans wahrscheinlich wenig Neues bieten, ist aber für Interessierte an Musikgeschichte eine wissens- und lesenswerte Lektüre.
Ich werde auf jeden Fall in einige der genannten Werke, nicht nur von Kraftwerk, reinhören.
Übersetzung: Aus dem Italienischen von Judith Schwaab, Stefanie Römer
ISBN: 978-3-442-77071-7
Deutsche Erstausgabe
Originalverlag: Antonio Vallardi Editore
Die Autorin:
Laura Imai Messina wurde in Rom geboren. Mit dreiundzwanzig Jahren zog sie nach Japan. Ihr Studium an der University of Foreign Studies schloss sie mit dem Doktortitel ab, mittlerweile arbeitet sie als Dozentin an verschiedenen Universitäten. Sie lebt mit ihrem Mann und zwei Kindern in Tokio. Ihr Roman »Die Telefonzelle am Ende der Welt« stand in Italien und Großbritannien wochenlang auf der Bestsellerliste und wurde in 25 Länder verkauft. Laura Imai Messinas Romane zählen zu den meistübersetzten italienischen Büchern weltweit.
Klappentext:
Eine Reise zur wahren Seele des Landes der aufgehenden Sonne: 72 philosophische, spirituelle, etymologische, persönliche Versuche die Faszination Japan in Worte zu fassen.
Die Lehren, die aus Japan kommen, sind auch im Westen aktueller denn je. Aber was genau macht den japanischen Geist aus?
72 Begriffe gibt es im Japanischen, um die Jahreszeiten zu beschreiben und das Jahr in Abschnitte zu gliedern, die alle fünf Tage die Gelegenheit zur Erneuerung und inneren Reflexion bieten.
So heißt etwa Harmonie auf Japanisch wa, aber wie alle japanischen Wörter beinhaltet es viel mehr: In Harmonie mit den Dingen zu sein, das bedeutet in Japan Schönheit, Freude und Gemeinsinn in den Mittelpunkt des Lebens zu stellen, durch kontinuierliche Arbeit an sich selbst, durch das Erlernen von Geduld, durch überlegtes Handeln und gelebtes Miteinander.
Ich habe das Buch beim Bloggerportal entdeckt und einfach mal angefragt. Ich habe nicht damit gerechnet, aber bekam doch ein Rezensionsexemplar zugesandt. Vielen Dank nochmal dafür an den Verlag. Meine Meinung beeinflusst dies allerdings nicht.
Das Buch ist über 400 Seiten stark und quillt nur so über vor faszinierenden Details und Informationen über Japan und die japanische Gesellschaft.
Die Autorin hat das Buch in 72 Kapitel eingeteilt, so wie die Japaner*innen das Jahr in 72 Jahreszeiten einteilen.
Der alte japanische Kalender teilt die vier Jahreszeiten eines Jahres in 24 sogenannte Perioden ein, die wiederum jeweils in drei Teile aufgeteilt sind, so dass am Ende 72 verschiedene Zeiten entstehen
Jedes Kapitel ist mit einem Begriff und dem dazugehörenden Schriftzeichen überschrieben. Diese 72 Begriffe werden dann in den unterschiedlich langen Kapiteln, teilweise sehr ausführlich erläutert und in einen passenden Kontext gesetzt.
Teilweise werden auch die Herkunft der Schriftzeichen und ihre Zusammensetzung erklärt. Dabei war es mir manchmal etwas langatmig geschrieben, an anderer Stelle fand ich es dann aber auch äußerst interessant und erhellend.
Die Autorin stellt auch Vergleiche zwischen japanischer und westlicher Denkweise an, was mich wünschen lässt, dass wir uns im Westen einfach manchmal mehr ein Beispiel an den japanischen Gepflogenheiten nehmen sollten. Wo kann man schon seine Tasche unbeachtet stehen lassen, um sich um die Bezahlung seiner Mahlzeit zu kümmern, und ohne befürchten zu müssen, bestohlen zu werden?
Die Philosophie und Poesie, die in diesem Buch steckt, hat mich berührt und fasziniert. Der Schreibstil der Autorin ist fesselnd und bildhaft. Die Liebe und Achtung, die sie für Japan und die Menschen empfindet, kann man auf jeder Seite spüren.
Ich empfehle das Buch allen Menschen, die eine Reise nach Japan planen, ob es nun eine Reise zum Vergnügen oder eine Geschäftsreise ist, ist dabei völlig unerheblich. Aber gerade Geschäftsleute können in diesem Buch vorab einige Verhaltensweisen erlernen, die den Umgang mit Japaner*innen und das Verständnis zueinander erleichtern können.
Fazit:
Das Buch sollte man weglegen, wenn man nur eine leichte Lektüre erwartet, denn das geballte Wissen in diesem Buch erfordert aufmerksames und konzentriertes Lesen.
Empfehlen kann ich das Buch allen, die sich für die japanische Kultur und Geschichte interessieren und sich generell tiefergehend mit Japan beschäftigen möchten.
Ich habe durch dieses Buch auf jeden Fall viel über Japan gelernt, das ich noch nicht wusste.
Allerdings habe ich mich auch gefragt, wie eine Kultur, die so viel Wert auf Harmonie legt und daran glaubt, dass alles miteinander verbunden ist, immer noch auf Walfang gehen kann.
Mehr Japan?
Unter diesem Link findet Ihr meine Rezension zum Buch Idol in Flammen.
Rezension zum Buch Beklaute Frauen von Leonie Schöler
Infos:
Untertitel: Denkerinnen, Forscherinnen, Pionierinnen: Die unsichtbaren Heldinnen der Geschichte
Autorin: Leonie Schöler
Verlag: Penguin
Hardcover
416 Seiten
schwarz-weiß Abbildungen
28. Februar 2024 erschienen
Klappentext:
Wie Frauen Geschichte schrieben – und Männer dafür den Ruhm bekamen
Muse, Sekretärin, Ehefrau – es gibt viele Bezeichnungen für Frauen, deren Einfluss aus der Geschichte radiert wurde. Für deren Leistungen Männer die Auszeichnungen und den Beifall bekamen: Wissenschaftlerinnen, deren Errungenschaften, im Gegensatz zu denen ihrer männlichen Kollegen, nicht anerkannt wurden. Autorinnen, die sich hinter männlichen Pseudonymen versteckten. Oder Künstlerinnen, die im Schatten ihrer Ehemänner in Vergessenheit geraten sind. Lebendig und unterhaltsam erzählt die Historikerin Leonie Schöler ihre Geschichten, sie zeigt, wer die Frauen sind, die unsere Gesellschaft bis heute wirklich vorangebracht haben. Und sie verdeutlicht, wie wichtig die Diskussion um Teilhabe und Sichtbarkeit ist. Dabei wird klar: Hinter jedem erfolgreichen Mann steht ein System, das ihn bestärkt; vor allen anderen steht ein System, das sie aufhält.
Mit zahlreichen Abbildungen und Infokästen
»Ein ausgesprochen interessantes Buch, bei dessen Lektüre man sich fragen kann, warum die eine oder andere Fehlentscheidung der Vergangenheit nicht längst gerade gerückt wurde.«
Ich habe das Buch über das Bloggerportal erhalten, worüber ich mich sehr gefreut habe. Selbstverständlich hat dies meine Meinung nicht beeinflusst.
Für mich gehört dieses Buch auf jeden Lehrplan. Man lernt doch in der Schule immer noch hauptsächlich von den „großen Männern“ der Geschichte. Seien es Erfinder, Entdecker, Forscher oder Abenteurer.
Mujeres Libres
Ich hatte bis zu diesem Buch beispielsweise nicht von den Mujeres Libres gehört, die sich dem Widerstand gegen die Putschisten unter General Franco anschlossen und genau so mutig gegen den Faschismus kämpften wie die männlichen Anarchisten. Es waren Feministinnen aus Barcelona und Madrid, die sich zusammen schlossen, um gegen die Faschisten und das Patriarchat zu kämpfen. Sie wollten, dass Frauen alle Wege zu Bildung und Gleichberechtigung offen standen.
Als Franco an die Macht kam, wurden diese tapferen Republikanerinnen verfolgt, eingesperrt und gefoltert. Und ihre Teilnahme am Bürgerkrieg wurde aus den Geschichtsbüchern gestrichen. Erst nach dem Ende der Franco-Diktatur konnten überlebende Frauen darüber sprechen.
Allgemeiner Aufbau
Aber in dem Buch geht es nicht nur um Kriegerinnen und Soldatinnen. Vielmehr zeigt die Autorin in den sechs Kapiteln, der Einleitung und dem Schlusswort auf, dass nicht nur Frauen bis heute vielfach bewusst um Anerkennung von Leistungen, Teilhabe und Gleichberechtigung gebracht werden. Es geht hier vordergründig um Frauen, aber auch um Personen der LGBTQIA+-Community, BIPOC, Menschen mit Behinderung. Also alle, die nicht dem Standard des weißen, hetero-CIS-Mannes entsprechen.
Die Autorin schlägt in den 6 Kapiteln einen Bogen vom 18. Jahrhundert mit der französischen Revolution, über die Sufragetten-Bewegung des 19. Jahrhunderts bis in die 20er Jahre des 21. Jahrhunderts und bis in die heutige Zeit. Sie belegt exemplarisch an einzelnen Frauen-Schicksalen die systematische Aberkennung von Leistungen und Errungenschaften.
Am Ende des Buches finden sich ein Namens- und Quellenverzeichnis sowie einige Literaturempfehlungen.
Beim Lesen war ich teilweise wütend und auch beeindruckt, mit welchen Hürden sich viele Frauen herumschlagen mussten, um ihre Lebensträume zu verwirklichen. Oft gelang / gelingt dies nicht, da die Gesellschaft, vor allem die patriarchalen Strukturen es nicht zuließen und auch heute vielfach nicht zulassen.
Dabei haben Frauen oft einen entscheidenden Anteil an der menschlichen Entwicklung, der jedoch entweder in Vergessenheit geriet oder sogar bewusst Männern zugeschrieben wurde.
Ich könnte so viel über das Buch schreiben
Beispiel: Bertolt Brecht wird als alleiniger Autor der bekanntesten Werke der Geschichte, wie die Dreigroschenoper genannt. Jedoch arbeiteten mit ihm mehrere Frauen an den Stücken, deren sicher erheblicher Anteil an den Texten heute kaum noch nachvollziehbar ist, da es keinen Nachweis darüber gibt, wieviel die Frauen im Einzelnen direkt beigetragen haben. So werden sie nicht mal als Co-Autorinnen genannt, obwohl sie belegbar an der Entstehung beteiligt waren.
Auch die erste Ehefrau von Albert Einstein hat zunächst mit ihrem Mann zusammen geforscht, aber den Ruhm hat er ganz für sich allein beansprucht.
Besonders erwähnenswert finde ich noch die Vergebung von Nobelpreisen, bei denen in der Regel bisher weiße Männer Preise erhalten. Dabei steht im Testament von Schöpfer und Stifter Alfred Nobelpreis nicht, dass der Preis ausschließlich an Männer verliehen werden darf. Doch wie es so oft in unserer Gesellschaft ist: Diejenigen mit den notwendigen Verbindungen und Kontakten ernten den Ruhm.
Und posthum wird der Preis nicht vergeben, also gehen alle bisher verstorbenen Frauen, denen nachweislich eine große Entdeckung gelang, weiterhin leer aus.
Selbst Datendiebstahl ist Teil der systematischen Benachteiligung. Dies wird besonders im Fall von Rosalind Franklin offenbart, die als erste den Aufbau der DNA-Doppelhelix nachweisen konnte, aber nie dafür ausgezeichnet wurde. Die Auszeichnung erhielten männliche Konkurrenten, die einfach ihre Ergebnisse stahlen. Erst nach ihrem frühen Krebstod wurde das bekannt, so dass ihr nie die Ehre für diese und andere Forschungen zuteil werden konnte.
Fazit:
Beim Lesen wird klar, wie sehr wir alle Teil des patriarchalen Systems sind. Die Lektüre hat meinen Horizont erweitert und hat mich viel Neues gelehrt. Dabei schafft es die Autorin, die Sprache verständlich zu halten. Sie schreibt bildhaft und leicht lesbar.
Ich kann Beklaute Frauen sehr empfehlen.
Mal nachdenken:
Könnt Ihr 10 Wissenschaftlerinnen oder 10 Künstlerinnen aufzählen?