Rezension: Bär

Text: Rezension

Infos:

  • Verlag: btb Verlag
  • Autorin: Marian Engel
  • Übersetzerin: Gabriele Brößke
  • Originaltitel: BEAR
  • Originalverlag: McClelland and Stewart, Toronto
  • Nachwort von: Kristine Bilkau
  • Roman
  • Hardcover mit Schutzumschlag
  • 208 Seiten
  • Erschienen: 28. Februar 2022
  • ISBN: 978-3-442-75956-9

Klappentext:

Lou ist eine schüchterne, fleißige Bibliothekarin. Sie lebt eine maulwurfartige Existenz, begraben zwischen vergilbten Karten und Manuskripten in ihrem staubigen Kellerbüro. Da sie nichts und niemanden hat, zu dem sie nach Hause gehen kann, gibt sie sich dem leidenschaftslosen Sex mit dem Direktor des Instituts auf ihrem Schreibtisch hin. Den Sommer soll sie auf einer abgelegenen Flussinsel im Norden Kanadas verbringen, um den Nachlass von Oberst Jocelyn Cary zu katalogisieren. Dass sie nicht allein in der Einsamkeit der kleinen, wuchernden Insel lebt, sondern sich auch um einen halbzahmen Bären kümmern muss, hat ihr vorher niemand erzählt. Als der Sommer über der Flussinsel blüht und Lou die Stadt von sich abschüttelt, verfliegt der erste Schreck über dieses hungrige, undurchschaubare Wesen mit seinem dicken Pelz und seiner rauen Zunge, und Lou erforscht die Grenzen ihrer Lust…

Das Buch steht in einem Blumenbeet, umrahmt von zwei Plüschbären und einem Keramikbären, der bäuchlings auf einem aufgeschlagenen Buch liegt.
Link zum Buch

Meine Meinung:

Ich habe das Nachwort zum Buch beim Stöbern im Internet entdeckt und war neugierig geworden, also fragte ich ein Rezensionsexemplar beim Verlag an und konnte mich ein paar Tage später über Post freuen.

Das Buch habe ich dann in kürzester Zeit gelesen, geradezu verschlungen. Es liest sich sehr flüssig und man fühlt sich direkt in die kanadischen Wälder versetzt.

Die Kapitel sind angenehm kurz, die Sprache ist fast poetisch, einfach wunderschön und sehr angenehm zu lesen. Da hat die Übersetzerin einen sehr guten Job gemacht. Ein Kritikpunkt ist in meinen Augen allerdings der Gebrauch des Begriffes Indianer, den ich so verwendet und völlig unreflexiert heute einfach nicht mehr gerechtfertigt finde. Das Buch ist zwar im Original bereits 1976 erschienen, dennoch hätte man bei der aktuellen Übersetzung hierauf achten können.

Nun aber mal zum Inhalt selbst:

Die Protagonistin ist eine Bibliothekarin, sie sitzt hauptsächlich im Keller und archiviert alles, was man ihr bringt. Private Korrespondenzen aus Nachlässen, Landkarten und natürlich Bücher. Sie scheint kein besonders spannendes Privatleben zu haben, mit Männern hat sie kein Glück. Sogar ihr Vorgesetzter, der Direktor der Bibliothek, verfügt über sie, um seine Bedürfnisse zu befriedigen, die über kurze Nummern auf dem Schreibtisch nicht hinaus gehen.

So freut sie sich ehrlich, als sie in die kanadischen Wälder geschickt wird, um dort einen Nachlass, der dem Institut vermacht wurde, auf einer abgelegenen Flussinsel zu katalogisieren. Sie hat einen ganzen Sommer nur für sich vor sich und fühlt sich wie eine Abenteurerin.

Sie wird zur Insel gebracht und bekommt dort nicht nur die Schlüssel zum Haus sondern auch die Verantwortung für einen alten Bären, der im Hof angekettet ist. (Ehrlich gesagt hätte ich den Bären am liebsten befreit..)

Als Leser folgt man durchgehend der Protagonistin, die im Laufe des Sommers eine Entwicklung zu mehr Selbstbestimmung und Emanzipation durchmacht. Hierbei ist der Bär nicht nur ein Symbol, das zunächst angekettet und unterdrückt und später von Ketten befreit ist. Die Protagonistin nähert sich dem Bären nach und nach, bis sie nicht nur mit ihm im Fluss badet, sondern ihn auch ins Haus und ganz nah an sich heran lässt.

Der Bär wird keineswegs vermenschlicht. Vielmehr projiziert die Protagonistin ihre Erwartungen und Bedürfnisse auf den Bären und interpretiert seine Handlungen durch ihre Erfahrungen und Erlebnisse.

Was noch?

Ich weiß nicht, was die Autorin mit den expliziten Szenen beabsichtigt hat, in denen sich die Protagonistin sogar vom Bären am ganzen Körper ablecken lässt. Da es Fiktion ist, habe ich diese Teile halt einfach hingenommen, wenn ich auch durchaus irritiert war.

Das Buch lässt viel Raum für eigene Interpretationen. Ich bezweifle, ob diese sehr intimen Geschehnisse wirklich notwendig sind, eine Geschichte über eine Frau zu erzählen, die sich selbst weiter entwickelt.

Trotzdem kann ich das Buch empfehlen, da es viel mehr als sexuelle Erregung durch eine Bärenzunge darstellt. Durch die Entdeckung und Beschreibungen der Einrichtung des Hauses, spinnt die Autorin auch einen breiten Rahmen über die Geschichte Kanadas und teilweise Nordamerikas. Es werden unterschiedliche Themen, wie die Kolonisierung Amerikas und die Rolle der Frauen angerissen. Dabei empfindet die Protagonistin, dass sie und auch der Erbauer des Hauses in der Geschichte keine wichtigen Positionen inne haben.

Fazit:

Wer gerne mit Lou auf Entdeckungstour durch Kanada gehen möchte, sollte sich auf dieses Buch einlassen.

Ein Buch, das durchaus nicht an Aktualität eingebüßt hat.

Buchumschlag, rosa mit weißer und grüner Schrift
Rückseite mit Klappentext

Andere Stimmen zum Buch:

Ich habe die Rezension auch bei Goodreads hochgeladen. Wenn Ihr dort auf die Seite des Buches wechselt, könnt Ihr noch einige lesenswerte englischsprachige Rezensionen finden.

Habt Ihr das Buch auch schon gelesen? Wie ist Eure Meinung dazu? Hinterlasst sie mir gerne als Kommentar.

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